Wir haben Eckernförde verlassen. Der Weg führt uns entlang des Wassers und schon bald endet der befestigte Weg. Die nächste Stunde wandern wir am Strand und jeder Schritt versingt tief im Sand. Wer zur Hölle kommt auf die Idee einen Wanderweg hier lang zu legen?! Nach dem einen oder anderen in den Wind gerufenen Fluch, stapfen wir fast an der kleinen Markierung vorbei, die uns den Weg zurück in den Wald deutet. Dankbar für den festen Boden unter den Füßen laufen wir nach Noer, ein kleines Dorf nah dem bekannten Schwedeneck. Wir betreten den Ort und sehen vorwiegend Ferienhäuser, was uns skeptisch stimmt, ob wir hier heute einen Schlafplatz finden. Doch wir haben Glück – Und was für eines! Nur drei Laternen hinter dem Ortschild läuft eine junge Frau durch den Garten, was wir zum Anlass nehmen über den Gartenzaun Kontakt aufzunehmen. Die Bewohnerin Li läd uns freundlich ein in ihrem Garten unser Zelt aufzustellen. Hinterm Haus hat sie gemeinsam mit ihrem Mann Jan ein Dutzend Gemüsebeete angelegt, die sich überaus ästethetisch in den Garten fügen. Außerdem lässt sich eine Baustelle mit einem runden Boden aus Holz erahnen. Auf Nachfrage wird uns erläutert, dass hier eine kirgisische Jurte errichtet werden soll. Li und Jan sind überaus entzückend und wir verstehen und prächtig. Tatsächlich sind sie die ersten Hosts auf unserer Reise, die ähnlich alt sind.

Beim gemeinsamen Abendessen sprechen wir über das Jurtenprojekt im Garten. Der freiwillige Helfer, der Jan beim Aufbau unterstützen wollte, hat getürmt und wir wittern unsere Chance auf ein einmaliges Erlebnis. Wir beschließen unsere Hilfe anzubieten und vereinbaren kurzer Hand bei Jan und Li zu wohnen, bis die Jurte fertiggestellt ist. Bei Bier und Wein beginnen wir mit der Planung des Bodens und der weiteren Schritte. Die kommenden Tage sollen sich als überaus schön herausstellen. Die beiden wohnen nur wenige Minuten von der Ostsee entfernt. Da ich ein chronischer Frühaussteher bin, nutze ich die Gelegenheit morgens am Strand ein kleines Workout zu machen, einmal in die Ostsee zu springen, um sich anschließend auf den frischen Kaffee zu freuen.

Beim Jurtenbau packen alle mit an. In der Zwischenzeit haben Li und Jan Besuch von einer Freundin aus Köln mit ihren drei Töchtern bekommen. Jeder findet eine passende Aufgabe und stetig wächst das zukünftige Jurtenfundament – welches beim  einem Original in Kirgisistan natürlich nicht zu finden wäre. Die verwendeten Holzdielen entspringen einer alten Wohnung und geben dem Projekt einen tiefgrünen Anstrich. Ganz nach unserem Geschmack.

Die recycelten Dielen werden gereinigt und nach Größe sortiert, damit spätere Arbeitsschritte schneller von der Hand gehen. Mit speziellen Dielenschrauben werden die Hölzer in die in Waage gebrachten Balken verschraubt. Damit die Jurte mobil bleibt, lässt sich der Boden leicht in acht Stücken zerlegen und kann gegebenfalls eines Tages umziehen.
In die Spalten zwischen den Bodenstücken lassen sich aufwendig angefertigte Leisten einschieben und schließen schlussendlich die Lücken im Boden.

Nach einer knappen Woche ist das Fundament errichet. Im kommenden Schritt soll die eigentliche Jurte auf dem Oktagon erbaut werden. Klassischerweise besteht eine Jurte aus gebogenem Weidenholz, dass mit Seilen verknotet und mit einem Filz aus Schafswolle abgedeckt wird. Per Telefon mit starkem Akzent vermittelt uns Eugen aus Kirgisistan das weitere Vorgehen. Da viele der Arbeitsschritte für uns alle neu sind, stellen wir uns aus kirgisischer Sicht vermeintlich ungeschickt an, doch peu a peu entsteht ein Jurte. Dank Eugen und einigen Youtube-Videos später, beherrschen wir die entsprechenden Knoten und können auch den Dachkranz in Position hiefen, ohne uns zu erschlagen.

Gemeinschaftlich hiefen wir den schweren Schafsfilz über das Gerüst und sichern die Jurte gegen Wind. Wir können es alle kaum glauben, aber wir haben es geschafft. Die Kirgisen lieben die bunten Farben und entsprechend einladend kommt auch diese Jurte daher. Farbenfrohe Bänder und  Bordüren schmücken das Innere.

Die Zeit bei Li und Jan ist eine der schönsten auf dieser Route. Wir teilen den selben Humor und haben auch immerwieder tiefgründige Gespräche, die uns zum Nachdenken anregen. Jeder von uns wird sich mit Freude an die gemeinsamen zwei Wochen erinnern. 

Unsere Wanderung auf dem E1 wird an dieser Stelle vorerst enden. Für uns ist es an der Zeit ein Versprechen einzulösen und einen Ortswechsel zu vollziehen. Schon vor einigen Wochen kam eine Bekannte von Aylin auf uns zu und fragte, ob wir auf ihrem Marktstand in Stralsund arbeiten mögen. Jan nimmt uns auf seinem Arbeitsweg mit nach Kiel, wo eine Mitfahrgelegenheit auf uns wartet. Weiter geht es zum Arbeiten in Stralsund!

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