Jørpeland - Odda - Bondhus
Provinz Vestland
Kilometer: 229 km per Anhalter
Hitchhiking: 9 Autos
Reisetage: 2 Tage
Weiter Richtung Norden
Nach unserem Abstieg vom Preikestolen ist es bereits Nachmittags. Wir lassen uns erneut in Jørpeland absetzen. Der Platz am Bach, wo wir vor wenigen Tagen geschlafen haben, ist auch heute unser Ziel. Einmal auftanken, bevor es morgen weiter geht. Die Route sieht vor, dass wir das erste mal Fähre fahren in Norwegen. Wir sind gespannt!
Erneut bewegen wir uns zur (vermutlich einzigen) Bushaltestelle in Jørpeland. Doch diesmal geht es in die andere Richtung! Wenn wir am hitchhiken sind zeigen wir gerne auf Fahrzeuge in der Ferne und sagen etwas wie: „Der rote Volvo, der nimmt uns zu 100% mit.“ Das klappt mal mehr mal weniger gut. Doch heute haben wir Glück und eine deutsche Reisende im Campervan hält für uns an. Wir fahren fast 40km bis nach Årdal, wo sie uns an einer Tankstelle irgendwo im nirgendwo absetzt.
Doch es gibt quasi nur diese eine Straße und so stoppt schon bald ein alter VW T3 – zu meiner Freude sogar mit Hamburger-Nummernschild. Die beiden älteren Frauen erzählen uns, dass sie bereits seit über 40 Jahren gemeinsam in den Urlaub fahren. Eine respektable Freundschaft! Die Fahrt ist etwas holprig und so sind wir zuletzt froh von den beiden am Fähranlager in Hjelmeland abgesetzt zu werden. Wir lassen uns sagen, dass in dem kleinen Örtchen der vermeintlich größte traditionelle Stuhl der Welt stehen soll. Nichtsdestotrotz sparen wir uns den Weg zu dem 4,5 Meter hohem Koloss und widmen uns der Überfahrt mit der Fähre.
Fähre fahren in Norwegen
Nahe des Anlegers befindet sich ein kleines Häuschen, welches wir ansteuern, um zwei Tickets für die Fähre zu kaufen. Doch Deutsche vergessen gerne, dass es Länder gibt, die in Sachen Digitalisierung etwas fortgeschrittener sind. So gibt es in der Hütte frische Frühlingsrollen und Glasnudeln, aber keine Fahrscheine. Auf Nachfrage beim Einweiser in Warnweste, klärt dieser uns auf, dass die Fähren für Fußgänger grundsätzlich kostenlos sind. Wir sind freudig überrascht, denn wir hatten mit einigen Euros für die Überfahrt gerechnet. Nur die Nummernschilder der Autos werden fotografiert – die Rechnungen kommen dann später per Post. Die Fahrt nach Nesvik soll keine 15 Minuten dauern. Wir staunen nicht schlecht, als das Schiff sich in Bewegung setzt, denn es sind keine Motorengeräusche zu hören! Beim Anleger auf der anderen Seite sehen wir die ganze ‚Magie‘ – nach jeder Überfahrt dockt die Fähre an eine haushohe Ladesäule an, die ihren Arm zielgenau ausfährt. Energiewende zum anfassen quasi.
Da abgesehen von den Autos auf der Fähre kein Verkehr an dieser Straße ist, nutzen wir die Wartezeit auf das nächste Schiff für eine Mittagspause. Keine 30 Minuten später kommt die nächste Ladung Autos und diesmal ist auch etwas für uns dabei: Eine junge Frau mit Hund fährt ihren Camper in die Haltebucht. Sie ist alleine auf dem Weg zum Nordkap – möchte ein richtiges Abenteuer erleben. Sie erzählt, sie hat kurz gezögert, aber sich einen Ruck gegeben und angehalten. Wir freuen uns um so mehr Teil ihrer Urlaubsgeschichte zu werden. Gemeinsam fahren wir bis nach Sand, wo wir erneut an einer Tankstelle abgesetzt werden.
Wie bereits im Kontext der Fähren erwähnt, sind die Norweger grundsätzlich etwas digitaler unterwegs. So wird an Tankstellen quasi ausschließlich mit Kreditkarte direkt an der Zapfsäule gezahlt. Die vielen Tankstellenshops mussten sich also etwas einfallen lassen, wie sie die Kunden reinlocken. Die meisten Tankstellen in Norwegen verkaufen Fast Food. Von Pizza, Burger, Hotdogs bis Chickenwings. Heute kommen wir zufällig kurz vor Ladenschluss bei der Tanke an. So gibt es die seltene Chance Lebensmittel vor der Mülltonne zu retten. Denn die Läden werfen zum Ende des Tages alle fertigen, bereits erwärmten Produkte weg. So muss man lediglich nach Waren fragen, die heute nicht verkauft werden konnten. Und so kommt Aylin kurze Zeit später mit einer großen Tüte voll mit Essen aus der Tankstelle. Selbiges funktionert ebenso häufig in Bäckerein oder Obst- und Gemüseläden. Unweit der Straße finden wir ein unbestelltes Feld und können dort unser Zelt für die Nacht aufschlagen.
Hitchhiking im Linienbus
Von Sand bis nach Odda sind es gute 100km. Nachdem wir morgens unser Zelt zusammen gepackt haben, geht es zurück zur Tankstelle. Wir haben Glück und mit nur einem Stop fahren wir bis auf 20km an Odda heran. Wir stehen kurz hinter einer Kurve mit unserem Schildchen und warten auf das nächste Fahrzeug. Doch auch nach über einem halben Jahr per Anhalter fahren wird man noch überrascht – den unsere Fahrt geht weiter in einem Linienbus. Der Fahrer winkt uns herein und wir quatschen die nächste halbe Stunde, bis wir im Zentrum von Odda wieder aussteigen. Natürlich für lau. Wir bedanken uns herzlich.
Obwohl die meisten Reiseführer die Stadt nicht wirklich empfehlen, ist abseits der Industrieregion um Odda die Naturschönheit Norwegens erhalten geblieben. Die Stadt liegt eingekesselt zwischen dem Folgefonna-Gletscher im Westen und steilen Berghängen im Osten. Viele Touristen steuern die nahe Wanderroute Trolltunga an. Die Wanderung endet ähnlich wie am Preikestolen mit einer spektakulären Felszunge, die in 700 Meter über dem Ringedalsvatnet-See herausragt. Der Weg ist mit über 10 Stunden veranschlagt und nur für erfahrene Wanderer. Mit unseren großen Rucksäcken haben wir hier nichts zu suchen! Unser Besuch in Odda fällt leider recht feucht aus. Wir stehen an der Touristeninformation, planen unsere nächsten Tage, während sich über uns der Himmel entleert. Die geographische Lage von Odda macht es uns nicht leicht einen Zeltplatz zu finden. Das Tal ist steil und dicht bebaut. Die Laune fällt etwas in den Keller.
Wir entschließen uns Odda noch am selben Tag zu verlassen und probieren in das 20 Kilometer entfernte Bondhus zu gelangen. Uns wurde der Ort auf der anderen Seite des Folgefonna-Gletschers von einer Norwegerin auf unserer Reise empfohlen. Also stehe ich mit einem aufgeweichten Pizzakarton an der Straße. Für alle per Anhalter Reisenden: Nutzt keine frischen Pizzakartons! Der Geruch, der an der Pappschachtel hängt wird euren Appetit anregen und euch schlechte Laune machen. 😋
Wanderung am Bondhusvatnet
Aber es hilft ja nichts. Es muss weiter gehen – und es geht weiter! Ein älteres Paar ist auf dem Weg zu ihrem Wochenendhaus. Nach kurzem Gepäcktetris ist alles verstaut. Und keine halbe Stunde später setzen die beiden uns am Parkplatz in Bondhus ab. Auch hier starten zwei Wanderrouten. Eine geht hinauf zum Gletscher (~8 Stunden), eine geht zum tiefergelegenen Gletschersee (~1,5h). Nehmen wir die. Die Größe des Parkplatzes lässt vermuten, dass an sonnigen Tagen hier die Hölle los sein kann. Doch es regnet aus Eimern und so stehen nur eine Handvoll Autos hier. Wir haben die Hoffnung entlang des Weges einen Zeltplatz zu finden und stiefeln los. Neben uns schlängelt sich ein reißender Bach mit eiskaltem Wasser frisch vom Gletscher. Das Gebiet ist als Wasserschutzgebiet gekennzeichnet, was das Baden, Campen und Urinieren in 50 Meter Abstand verbietet. Wir laufen die volle Strecke bis zum Gletschersee Bondhusvatnet. Über dem See hängt tiefer Nebel, während die Tropfen auf die Wasseroberfläche fallen. Die Szene ist mystisch, vermutlich kann dieser See auch bei Sonne nicht schöner sein.
Leider haben wir auf der gesamten Strecke nur zwei dürftige Plätze fürs Zelt finden können. Und wenn ich dürftig schreibe, dann meine ich einen Platz direkt am Weg, offiziell zu nah am Wasser und einen weiteren Platz, der mit erheblicher Schräglage verbunden ist. Unser Energielevel und unsere Laune lässt uns heute zu Kleinkriminellen werden und wir legen die Wasserschutzverordnung etwas freizügig aus. Es wird der flache Platz zu nah am Wasser ausgewählt. Wir achten natürlich penibel darauf die Ressource Wasser nicht zu verschmutzen. Aber wir sind froh nach einem langen Tag endlich in unser Zelt kriechen zu können. Ursprünglich haben wir geplant mehrere Nächte bei Bondhus zu bleiben, aber ohne vernünftigen Zeltplatz mit schlechtem Wetter, werden wir morgen unseren Weg Richtung Bergen fortsetzen.