Stavanger - Jørpeland - Preikestolen
Westküste Norwegen
Kilometer: 40 km per Anhalter
Hitchhiking: 2 Autos
Reisetage: 2 Tage
Norwegens Hauptattraktion
Von Stavanger ist es nicht weit zu einem absoluten Natur-Highlight des Landes. In 600 Meter Höhe ragt der Felsvorsprung Preikestolen über den Lysefjord. Wir wollen uns für diesen Ort mehr Zeit nehmen, heißt mehr als einen Tag bleiben. Camping am Preikestolen ist offiziell nicht erlaubt. Aber entlang des Weges ist fein. Wir entscheiden vorerst den angebrochenen Tag im nahen Jørpeland zu bleiben, bevor wir uns frisch und vorbereitet dem Aufstieg zum Preikestolen wittmen. Ich habe eh noch etwas Arbeit zu erledigen und so finden wir uns Nachmittags in der öffentlichen Bibliothek des Ortes wieder. Aylin kümmert sich um den Einkauf, während ich einem Systemadministrator aus Hamburg eine neue Website baue. Um 18 Uhr schließt die Bibliothek und wir maschieren zu einem Bach etwas außerhalb des Ortes. Wir haben Glück und finden schnell einen schönen Platz am Wasser. Die Geräuchkulisse ist zwar erheblich, da der Bach an einigen Stellen eher einen Wasserfall gleicht, aber dafür gibt es ja Ohrenstöpsel. Wir kochen über dem Feuer und freuen uns auf den kommenden Tag.
Die Wanderung zum Preikestolen mit ihren 4 km dauert für jede Richtung ca. 2 Stunden. Da wir eh mit Sack und Pack den Fels erklimmen werden, entscheiden wir, dass wir entlang des Weges unser Zelt aufstellen wollen. Folglich füllen wir unsere Rucksäcke noch mit Proviant für 3 Tage und stellen uns in Jørpeland an die Bushaltestelle.
Es dauert nicht lange, da hält ein junger Mann im Tesla neben uns. Er selbst möchte zwar nicht zum Preikestolen, aber er will uns helfen und fährt uns bereitwillig die 10km zum Parkplatz wo für gewöhnlich die meisten ihre Wanderung beginnen. Wir freuen uns sehr über die Hilfsbereitschaft und sind schon nach einer kurzen Fahrt am Ziel. Für uns heißt es nun die Rucksäcke zu schultern und mit ca. 18 kg Gepäck den Berg zu erklimmen. Nicht unbedingt das, was man sich jeden Tag wünscht, aber der Weg ist mit seinen vier Kilometern überschaubar und wir haben keinen Stress. Wir reihen uns in den stetigen Strom von Menschen ein, die sich ebenfalls den Berg hochschieben. Die Menge an Menschen ist recht abstreckend, aber man muss sich mit Urteilen zurückhalten, da wir uns selbst auch zu den Touristen mitzählen müssen. Vom Parkplatz bis zum eigentlichen Ziel warten 500 Höhen Meter auf euch. Da die Distanz allerdings nicht sonderlich hoch ist, fällt die Steigung recht stark aus. Der Weg beteht aus einer Vielzahl von Steintreppen, die sich aneinander reihen.
Nach drei Kilometern erreichen wir eine Ebene mit einigen Frischwasserseen. Die Zeltplatzsuche ist schwieriger als gedacht, den der felsige Untergrund führt dazu, dass alle Grasflächen unter Wasser stehen. Doch wir finden einen schönen Platz, der dank eines kleinen Vorsprungs vom Wanderweg nicht sichtbar ist. Immerhin müssen wir nicht lange nach Steinen suchen, die wir anstelle der Heringe nutzen, um das Zelt am Boden zu befestigen. Nach einer kurzen Rast wittmen wir uns dem letzten Kilometer. Normalerweise lassen wir das Gepäck überaus ungern unbeaufsichtigt irgendwo zurück, aber wir bezweifeln, dass jemand Lust hat sein potenzielles Diebesgut die zwei Stunden den Berg runterzuschleppen. Die letzten Meter des Weges sind schnell bewältigt, denn jetzt steigt die Spannung auf den spektakulären Ausblick. Und plötzlich ist eher da:
Wir stehen vor einem Abgrund, unter uns der Lysefjord. Man tritt einen Schritt heran, um über den Rand zu schauen und fühlt wie das Adrenalin plötzlichlich durch den Körper schießt. Die letzten hundert Meter führt der Weg entlang des Abgrunds und ist dabei nur wenige Meter breit. Definitiv nichts für leichte Gemüter.
Als wir den Preikestolen erreichen, hängen einige tiefe Wolken im Fjord. Wir suchen uns ein Plätzchen etwas abseits der Kante und lassen den Ort auf uns wirken. Immer wieder verschwienden wir in den Wolken und die Sicht fällt auf wenige Meter. Für den Ausblick wenig förderlich, aber dieser Ort hat bei jeder Wetterlage seinen Charme! Kurz vor dem Felsvorsprung warten die Leute geduldig darauf, dass jeder sein Foto auf der Spitze des Preikestolen gemacht hat und der nächste sein „einsames“ Foto schießen kann. Etwas skuril, aber so läuft der Hase in Zeiten von Social Media. Wir haben zum Glück mehr Zeit als die Meisten und können in den kommenden Tagen wiederkommen, zu Zeiten wenn weniger los ist. Wir tigern zurück zum Zelt und genießen den langsam abreißenden Strom von Menschen.
In der Ferne klappern die Wanderstöcke während wir gemütlich vor unserem Zelt sitzen. Wir planen den kommenden Morgen den Sonnenaufgang am Preikestolen zu sehen. In Norwegen bedeutet dies um kurz vor vier aufstehen! Also stellen wir den Wecker auf 3:30.
Doch bereits Abends zieht sich eine dichte Wolkendecke zusammen und wir sind mittendrin. Die feuchte Luft legt sich über das Zelt und auch im Inneren werden Klamotten und Schlafsäcke klamm. Kurze Zeit später fängt es an zu regnen. Wir ahnen bereits, dass unser morgendlicher Plan vermutlich wenig Freude bereitet. Als dann um 3:30 der Wecker klingelt hat sich außerhalb des Zelts wenig verändert. Doch wir sind überrascht, denn in der Ferne hören wir das bekannte Klackern einiger Wanderstöcke. Gibt es doch tatsächlich Verrückte, die bei Regen und ohne Sicht, deutlich vor dem Sonnenaufgang eine Wanderung starten. Wir drehen uns wieder um und verschieben den Plan auf den nächsten Tag.
Am Vormittag reißt die Wolkendecke auf und kurze Zeit später haben wir einen blauen Himmel soweit das Auge reicht. Wir genießen die Ruhe und döddeln durch den Tag. Unser Platz liegt weit genug vom Weg entfernt, dass sich keiner der Wanderer hier her verirrt. Besuch bekommen wir trotzdem: Drei junge BritInnen sind ebenfalls auf der Suche nach einem Platz für ihr Zelt. Wir freuen uns immer über Gleichgesinnte und können den Dreien helfen. Sie sind von England nur mit Handgepäck nach Stavanger geflogen. Die Idee am Preikestolen zu campen kam spontan und so haben sie kurzerhand ein Zelt und einen Schlafsack gekauft. Ihr habt richtig gelesen: Einen Schlafsack. Keine Isomatte. Ein zwei Personenzelt für drei Leute. Wir müssen angesichts dieser dürftigen Vorbereitung schmunzeln. Wir verbringen den Abends gemeinsam am Lagerfeuer.
Genug Totholz an einem Ort zu finden, an dem quasi keine Bäume wachsen war garnicht so einfach, doch gemeinsam durchforsten wir die Umgebung und tragen unsere Fundstücke zusammen. Wir haben noch etwas Mehl und Backpulver im Rucksack und setzen einen Stockbrotteig an. Oliver, Daszy und Kate sind super lieb und wir haben reichlich zu lachen.
Sonnenaufgang am Preikestolen
Wir beschließen unsere Sonnenaufgangsplan gemeinsam durchzuziehen. Und tatsächlich sind um halb vier am nächsten Morgen alle auf den Beinen. Das Wetter spielt mit und wir haben einen klaren Himmel. Der Horizont leuchtet schon orange, als wir den Preikestolen erreichen. Wenig überraschend ist man auch um vier Uhr morgens an einem Ort wie diesen nicht alleine. Ein gutes Dutzend Menschen hat sich versammelt, um die aufgehende Sonne überm Lysefjord zu bestaunen. Einige liegen mit Schlafsack und Isomatte auf dem 25x 25 Meter großen Plateau und haben scheinbar die Nacht hier verbracht. Es dauert noch etwas bis dann endlich die ersten Sonnenstrahlen auf den Felsen fallen. Das Frühaufstehen hat sich gelohnt – so viel sei gesagt. Ich denke die Bilder sprechen für sich. Nach einer knappen Stunde sind die meisten Frühaufsteher wieder abgezogen und wir sind tatsächlich fast alleine. Müde und glücklich treten auch wir den Rückweg zum Zelt an, um noch einige Stunden zu schlafen, bis auch wir unser Lager abbauen und wieder absteigen.
Am Parkplatz ist es leicht eine Mitfahrgelegenheit zu finden und es geht zurück auf die Hauptstraße Richtung Norden.