Nach einer relativ erholsamen Nacht, wollen wir also weiter zum Lago Maggiore im Norden Italiens. Wir haben einen öffentlichen Trip bei Couchsurfing eingestellt und Georgio hat uns eingeladen bei ihm am Lago Maggiore vorbei zu kommen. Da wir weder in Turin, noch Mailand noch sonst irgendwo in Norditialien einen Host gefunden haben, nehmen wir das Angebot dankend an. Und so viel sei vorweg genommen, mal wieder eine der besten Entscheidungen, die wir hätten treffen können, aber das könnt ihr hier lesen.
Zunächst heißt es zurück über den Zaun und rauf auf den Autobahnrasthof. Doch dieses Mal haben wir Glück, denn es gibt einen Parkplatz für die Rasthofmitarbeiter, der über die Straße neben unserem Zelt erreichbar ist. Zwar ist hier auch ein großes Tor dazwischen, aber es ist gerade Schichtwechsel und als ein Mitarbeiter mit dem Auto vom Parkplatz fährt, schlüpfen wir schnell durchs Tor, bevor es sich wieder schließt. Am Abend zuvor haben wir noch erfahren, dass das trampen in Italien auch auf Autobahnrasthöfen eigentlich verboten ist und relativ hohe Strafen mit sich bringen kann. Wir lassen uns aber nicht entmutigen und beschließen es zunächst ohne Schild zu probieren und die Leute, die aus dem Rasthofgebäude kommen direkt anzusprechen. Es dauert nicht lange, bis wir einen netten Herren antreffen, der auf dem Weg zum Flughafen in Mailand ist. Das liegt perfekt auf unserem Weg und bringt uns ein ordentliches Stück näher an unser Ziel.

In der Nähe eines Burger Kings und Supermarktes werden wir rausgelassen. Nach einem kurzen Einkauf fürs Mittagessen und dem Basteln eines Schildes geht unser Weg weiter. Auch dieses Mal dauert es wieder nicht lang, bis jemand anhält und uns ein paar Kilometer mitnehmen kann. Eli ist super lieb und fährt uns sogar weiter, als sie eigentlich selbst müsste und lässt uns an einem guten Spot zum weitertrampen raus. Kurz nachdem wir aus dem Auto ausgestiegen sind, Eli zum Abschied nochmal gewunken haben, fällt Kim auf, dass er seine Mütze im Auto hat liegen lassen. Gott sei dank haben wir Instagram Kontakte getauscht, sodass wir ihr direkt schreiben und fragen, ob die Mütze noch im Auto liegt. Keine 10 min später ist Eli also wieder da und bringt uns die Mütze. Was ein Glück.

Stück für Stück kommen wir dem Ziel Luino direkt am Lago Maggiore immer näher. Wir machen zwar keine großen Strecken am Stück, dafür dauert es aber meist nicht lang, bis uns jemand mitnimmt.
Nur noch ca. 25 km bis Luino. Ein Auto hält an und schnell wird klar, wir sprechen keine gemeinsame Sprache. Die beiden Damen im Auto sind allerdings sehr hilfsbereit und mit Händen und Füßen glauben wir zu verstehen, dass sie prinzipiell nach Luino fahren, aber eine der beiden Damen wohl jetzt erstmal zum Bus muss. Sie geben uns zu verstehen, dass wir hier einfach 10 Minuten warten sollten und dann würden sie zurück kommen.
Durch die Sprachbarriere sind wir uns nicht so 100% sicher, aber wir entscheiden das Schild für die nächsten 10 Minuten runterzunehmen und zu warten. Die 10 Minuten sind um und kein Auto ist da. Aber nun gut wir sind natürlich auch in Italien und nicht in Deutschland und tatsächlich nach ca. 20 Minuten taucht das Auto wieder auf und sie versichert uns erneut, dass sie nach Luino fährt und uns mitnehmen kann. Wir freuen uns riesig. Nicht nur hat sie für uns angehalten, sondern sie ist extra für uns zurückgekommen. Und das, obwohl wir nicht mal eine gemeinsame Sprache sprechen. In Luino angekommen, bedanken wir uns und steigen gut gelaunt aus dem Auto aus. Wir haben unser Ziel für heute erreicht. Jetzt heißt es erstmal Vorräte kaufen für die kommenden Tage. Wir sind noch keine 100 m weit gegangen, da fällt mir auf, dass ich den GPS-Tracker scheinbar im Auto liegen lassen habe. Panisch werden nochmal alle Jackentaschen, Hosentaschen und Rucksacktaschen durchsucht, aber der Tracker ist weg. Leider haben wir mit der Fahrerin auch keinerlei Kontaktdaten ausgetauscht, sodass wir uns damit abfinden müssen, dass der Tracker wohl weg ist. Das ist natürlich immer leichter gesagt als getan. Meine Laune macht auf jeden Fall eine 180 Grad Wende von glücklich zu enorm zornig. Ich ärgere mich sehr über mich selbst, denn damit sind gerade 200 € flöten gegangen.

Es nützt ja alles nichts, daher gehen wir jetzt erstmal einkaufen. Da wir bereits wissen, dass es in dem Haus in den Bergen keine Supermärkte in der Nähe gibt, heißt es Essen für die nächsten 5 Tage einkaufen. Um die Laune etwas zu heben, kaufen wir zusätzlich noch eine Cola. Nach dem Einkaufen laufen wir runter zum See. Auf dem Weg kommen wir an einem Nähereigeschäft vorbei, wo wir selbstklebende, wasserfeste und flexible Patches bekommen, die ich dringend brauche, um meine Jacke zu reparieren, die mir in Le Bourg-d’Oisans leider aufgerissen ist. Am See angekommen machen wir eine kleine Pause und trinken erstmal die Cola.

So langsam habe ich mich damit abgefunden, dass der GPS-Tracker weg ist und kann mich ein wenig darüber freuen, dass ich meine Jacke reparieren kann. Next Step heißt also Schlafplatz finden. Gar nicht so einfach, denn rund um den Lago Maggiore ragen nach wie vor die Alpen in die Höhe. Ergo ist es schwierig eine ebene Fläche zu finden. Wir nutzen mal wieder Google Maps Satellit und steuern diverse vielversprechende Stellen an, die sich leider alle als nicht geeignet herausstellen. Auf dem Weg kommen wir an einem Cafe vorbei und ich beschließe hier kurz nach einer Schere zu fragen, um das Patch für meine Jacke auf die richtige Größe zurecht zu schneiden. Ich nutze die Chance und frage die Bedienung, ob sie nicht wüsste, wo man ein Zelt für eine Nacht aufschlagen könnte. Sie zeigt mir einen öffentlichen Park, direkt am See und sagt, dass es kein Problem sein sollte hier zu zelten. Ungläubig frage ich sie, ob sie sicher sei, dass man dort keinen Ärger mit der Polizei o. Ä. bekäme, immerhin ist es ein öffentlicher Park und auch nicht wirklich dicht bewachsen, sodass man sich mit dem Zelt verstecken könnte. Nach kurzer Beratschlagung mit einem Kollegen und sogar dem Chef sagen sie, dass wir uns darüber keine Sorgen machen müssten. Da unsere vorher anvisierten Plätze nicht geeignet sind, entscheiden wir uns den Park anzusteuern. Dieser liegt leider in der entgegengesetzten Richtung und wir müssen nochmals knappe 3 km laufen. Mittlerweile ist es auch dunkel geworden. Im Park angekommen, stellen wir fest, dass selbst die wenigen Bäume, die dort stehen uns keinerlei Sichtschutz fürs Zelt bieten können. Aber es ist spät und wir haben auch keine wirkliche Alternative an der Hand. Also vertrauen wir auf das Wort der Bedienungen und entscheiden uns hier zu bleiben. Bevor das Zelt aufgestellt wird, heißt es aber erstmal Essen kochen. Wir setzen uns auf eine Bank, als mich der nächste Schlag trifft. Mein Sitzkissen ist weg. Hatte ich mich gerade damit abgefunden den GPS-Tracker verloren zu haben, bringt mich der Verlust meines Sitzkissens zurück in die Zornspirale. Mir reichts für heute einfach. Erst den GPS-Tracker verloren und jetzt auch noch mein Sitzkissen. Missmutig setze ich mich auf den kalten Stein und möchte einfach nur noch Abendessen und dann ins Zelt, um den Tag zu beenden. Aber wie es immer so ist, soll ausgerechnet heute Abend, das Kochen nicht klappen. Eigentlich wollen wir nur eine Packung Kartoffelpüree machen und grüne Bohnen kochen, aber das Wasser will partout nicht kochen. Es ist einfach zu windig und zu kalt. Hinzu kommt, dass wohl der Brennspiritus aus Spanien nicht so gut brennt. So dauert es also über 1,5 Std bis wir was zum Essen haben. Wir sind absolut durchgefroren und oh Wunder unser Essen ist ebenfalls kalt. Das hebt meine eh schon schlechte Stimmung also nicht wirklich.
Wir entscheiden, das Zelt in einem halbwegs dunkleren Eck (hier ist eine Lampe nämlich kaputt) unser Zelt aufzustellen. Klar ist, wir sollten morgen ziemlich früh raus, denn sobald es hell wird, kann uns jeder sehen.

Obwohl wir gut vorangekommen sind und unser Ziel erreicht haben, war dies ein absoluter Scheißtag für mich. Ich bin froh endlich im Schlafsack zu liegen und diesen Tag hinter mir zu lassen. Für einen ganz kleinen Moment fragt man sich, warum man sich das eigentlich antut. Weiß aber im nächsten Moment auch sofort, dass solche Dinge nun mal passieren. Und am Ende des Tages ist es nur Geld, dass uns hier abhanden gekommen ist. Natürlich ist das kacke, zumal wir nur ein begrenztes Budget zur Verfügung haben. Aber blickt man auf die letzten Tage zuvor zurück, wird einem klar, wie viele unglaublich und tolle Sachen man schon erlebt hat und weiß, dass diese Dinge unbezahlbar sind und egal wie viele haptische Dinge man noch verlieren wird, diese Erinnerungen und Erfahrungen kann einem keiner nehmen. Und so schaffe ich es am nächsten Morgen auch wieder gut gelaunt in den Tag zu starten. 

Das heißt nicht, dass mich die Tatsache nicht immer noch ärgert, aber ich kann es akzeptieren und meine Laune davon nicht mehr beeinflussen lassen. Heute wollen wir also Italien schon wieder verlassen und in die Schweiz, wo unser Host Georgio schon auf uns wartet. Als erstes wird das Zelt abgebaut und alles eingepackt. Wir entscheiden uns etwas am See entlangzugehen, um einen Platz in der Sonne für das Frühstück zu finden. Da unsere Handys und auch Powerbank nicht mehr viel Akku haben und es in der nächsten Woche in dem Haus in den Bergen auch keine Elektrizität gibt, entscheiden wir nochmal einen kurzen Abstecher in die öffentliche Bibliothek zu machen. Dort angekommen laden wir also unsere Elektronik und ich nutze die Zeit, um meine Jacke endlich zu reparieren. Jetzt heißt es aber ab in die Schweiz.
Wir haben Glück und schon nach wenigen Minuten werden wir von einem jungen Mann bis zur Grenze mitgenommen. Wir entscheiden uns zu Fuß über die Grenze zu gehen und in der Schweiz weiter zu trampen.

Während wir hier unser Glück probieren, beobachten wir wie viele Italiener über die Grenze fahren, um 100 m weiter an der ersten schweizer Tankstelle zu tanken und wieder zurückfahren. Zunächst sind wir verwundert, aber schnell merken wir, dass Sprit in der Schweiz einfach günstiger ist als in Italien.
Nach ungefähr einer halben Stunde werden wir dann bis San Nazzaro mitgenommen. Wir haben unser Ziel erreicht… Nun ja fast… Den Rest des Weges zu unserer Behausung für die nächste Woche müssen wir zu Fuß antreten.

Es sind nur knappe 3 km. Die halten allerdings 520 Höhenmeter für uns bereit, die wir mit den schweren Rucksäcken inkl. Essen für 5 Tage bewältigen müssen. Ob wir oben angekommen sind, könnt ihr hier lesen.

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