Bergen - Ålesund
Provinz Møre og Romsdal
229 km by hitchhiking
in 9 cars
Reisetage: 3 Tage
Wir folgen dem Geheimtipp Ålesund
Bergen zu erkunden ohne die der Stadt typischen Wetterphänomene zu erleben, hat uns große Freude bereitet. Wir wollen also nicht auf den nächsten Regen warten und fahren weiter per Anhalter Richtung Norden. Vor wenigen Wochen hat uns eine nette Norwegerin den Tipp gegeben nach Ålesund zu reisen. Die Stadt hätte Charme und die Landschaft soll der bei den Lofoten ähnlich sein. Das klingt in unseren Ohren vielversprechend und so haben wir unser nächstes Ziel in guten 400 Kilometern Entfernung. Zwischen den beiden Städten liegen nur kleinere Orte. Für gewöhnlich rechnen wir mit 100 Kilometern am Tag. Auch wenn man mit Glück deutlich längere Distanzen zurücklegen kann, planen wir lieber pessimistisch.
Die Reise geht weiter und ein langer Reisetag steht an. Gastgeberin Helena ist in Bergen verabredet und nimmt uns mit in die Stadt. Wir laufen wenige Kilometer an den Nordrand der Stadt, wo es für uns von einer Tankstelle weiter geht. Die erste Etappe nach Knarvik fahren wir mit einer hilfbreiten Tierärtzin. Die Rucksäcke sind schnell in einer heute leeren Hunde-Transportbox verstaut. Wir hangeln uns weiter bis zur Fähre in Lavik. Fähranleger sind immer ein ziemliches Dead-End mit wenig Verkehr. Man wartet auf die nächste Fähre und hofft, dass eines der rund 30 Fahrzeuge Lust auf zwei weitere Passagiere hat. So machen wir erstmal eine späte Mittagspause und warten auf eine nächste Fuhre potenzieller Mitfahrgelegenheiten. Etwas die Straße runter befindet sich eine Bushaltestelle mit Parkbucht, welche wir entscheiden anzusteuern. Zwei deutsche Handwerker auf der Walz warten bereits in dem Häuschen. Die beiden Männer in ihrer Kluft sind ziemlich tiefenentspannt. Sie probieren schon seit einige Stunden hier weg zu trampen, aber hatten keinen Erfolg. Das ist natürlich auch für uns keine gute Nachricht und gemeinsam an der selben Stelle zu stehen ergibt auch wenig Sinn. Doch auf der anderen Straßenseite steht ein weißer Tesla an einer Ladesäule. Ich stell mein Rucksack ab und stiefel einmal auf die andere Seite. Man spielt seinen mittlerweile gut eintrainierten Text ab und häufig genug trifft man hilfsbereite Menschen. So auch heute. Ich winke Aylin fix hinüber, denn die Fahrt soll schon gleich los gehen. Für die beiden Gesellen tut es mir Leid, dass wir vor ihnen nach nur kurzer Wartezeit weiterdüsen. Aber etwas Initiative hat sich bisher stets als gutes Konzept erwiesen. Wir fahren über Sande bis nach Førde, wo unser Fahrer uns auf der Baustelle seines zukünftigen Hauses schlafen lässt. Kein schöner Zeltplatz, aber wir sind dankbar für einen legalen Platz für unser Zelt. Denn das in Norwegen geltende Jedermannsrecht erlaubt ja nur abseits von Siedlungen wild zu campen. Am Ende dieses Tages stehen über 175 Kilometer auf der Uhr. Ein sehr guter Reisetag für uns.
Camping am Innvikfjord
Wir brechen den nächsten Morgen früh auf. 10km hier. 32km dort. An einer Tankstelle treffen wir einen jungen Israeli. Er macht ein freiwilliges ökologisches Jahr in Norwegen. Normalerweise ist er Teil einer Segelbootcrew und sammelt Müll im Meer und am Strand. Diese Woche hat er Urlaub und macht selbst einen kleinen Roadtrip. Wir verlassen die Hauptstraße und nehmen eine überaus schöne Route über die Berge. Die Aussicht von der Passstraße auf den Innvikfjord ist perfekt. Am Straßenrand grasen einige Ziegen. Wir beschließen heute gemeinsam mit unsere Fahrer ein Camp zu bauen. So finden wir direkt am Fjord ein herausragendes Plätzchen für zwei Zelte. Es ist das erste Mal, dass wir gemeinsam mit anderen Leuten auf unserer Reise campen und so hat man sich direkt einiges zu erzählen. Wir springen Halb zur Abkühlung, Halb zum Sauber werden in den viel zu kalten Fjord und entfachen im Anschluss ein Lagerfeuer zum Kochen. Wir genießen die spontane Gesellschaft.
Am nächsten Tag soll es weiter gehen. Mit etwas Glück schaffen wir heute die 130km nach Ålesund. Unsere gemeinsamen Wege mit dem Israeli (dessen Name mir leider beim besten Willen nicht mehr einfallen möchte – bitte verzeih mir, solltest du diesen Text lesen) enden im nächsten Ort beim Supermarkt. Mit frischem Proviant geht es zurück an die Straße. Von Stryn geht es weiter über Grodås nach Stranda. Drei Autos später hängen wir in einem kleinen Örtchen unweit des bekannten Geirangerfjords fest. Wir gehen etwas zu Fuß während wir beim Vorbeifahren der Autos sporadisch den Daumen raushalten. Von hinten nährt sich ein Auto mit scheppernden Bässen. Aus den Fenstern tönt laut Technomusik. Warum nicht? Der Wagen hält tatsächlich an und wir hüpfen rein. Fahrstil und Musik harmonisieren auf dieser Fahrt stärker als man es sich wünscht. Nach einer halben Stunde mit wiederkehrenden Momenten der Todesangst steigen wir erleichtert beim Fähranleger aus dem Fahrzeug. Vermutlich wäre es ratsam gewesen früher auszusteigen, aber es ist ja zum Glück nichts passiert.
Typisches Westküstenwetter in Alesund
Mit der Fähre geht es über den Fjord und weiter über Moa mit zwei Autos nach Alesund. Am Himmel hängen tief dunkle Wolken und noch während wir unsere Rucksäcke aus dem Kofferraum heben, bricht über uns der Himmel zusammen. Wir springen schnell in unsere Regensachen und halten alles so trocken wie möglich. Wir haben uns auf der Insel Hessa westlich der Stadt absetzen lassen. Auf den Satellitenbildern haben wir ein vielversprechendes Örtchen ausmachen können und stapfen los. Wir müssen nur wenige Hundert Meter gehen und finden uns in einer kleinen Bucht am Meer wieder – mit einem schmalen Rasenstück. Perfekt für uns und so bauen wir bei nun etwas leichterem Regen das Zelt auf, in dem wir uns auch direkt verkriechen. Kurze Zeit später landet noch ein weiteres Pärchen an dem Platz und baut auf der anderen Seite der halbmondförmigen Bucht ihr Camp auf. Vorerst wird nur mal rüber gegrüßt, doch später kommen wir ins Gespräch und verabreden uns auf einen Drink nach dem Abendessen. Die beiden Holländer sind mit einem Auto voll Alkohol angereist und so haben wir zu viert einen lustigen, feucht fröhlichen Abend an der Feuerschale.
Über die Nacht fängt es wieder an zu regnen und auch den Rest des Tages soll es nicht aufhören. Bedauerlicherweise muss man irgendwann aufs Klo und auch unsere Wasser- und Stromreserven neigen sich dem Ende. Doch nur einen Steinwurf entfernt befindet sich das Atlanterhavsparken – europas größtes Meerwasseraquarium. In dem Gebäude gibt es selbstverständlich alles was man braucht und so husche ich durch den Regen. In dem Showaquarium gibt es ein großes Cafe, wo ich mich etwas meiner Arbeit am Laptop wittme, während neben mir die Powerbank läd.
Eine Stadt im Jugendstil
Erst am kommenden Tag sehen wir wirklich etwas von der kleinen Stadt mit knapp 50.000 Einwohnern. Umgeben von Bergpanoramen wurde die Stadt unmittelbar am Wasser gebaut. Die Häuser verteilen sich auf eine ganze Reihe von Inseln, was zusammen mit den Bergen eine wunderschöne, einzigartige Kombination abgibt.
Eine weitere Besonderheit der Stadt ist ihre Architekturstil, der sich überall wiederfinden lässt. Nach einem verheerenden Brand im 20. Jahrhundert musste die Stadt neu errichtet werden. Die gängige Bebauung aus Holz wurde verboten und es entstand eine bunte Stadt vollständig im Jungendstil.
Der damalige deutsche Kaiser war großer Norwegenfan und veranlasste Hilfen zum Wiederaufbau der Stadt. Er schickte vier Schiffe der Kaiserlichen Marine zur Katastrophenhilfe. Die entladenen Schiffe dienten den durch den Brand obdachlos gewordenen Menschen vorübergehend als Notunterkunft. Aus Dankbarkeit für die schnelle Hilfe ist eine der Hauptstraßen nach Kaiser Wilhelm benannt und wurde das Kaiser-Wilhelm-II.-Denkmal errichtet. Geschichtsstunde Ende.
Einzigartiger Ausblick über Alesund
Ganz nebenbei ist Alesund die Stadt mit den wohl schönsten Aussichten! Die bekannteste ist jene vom Hausberg bzw. Aussichtspunkt Aksla. Von hier hat man einen fast vollständigen Rundumblick über Ålesund, die umliegenden Inseln im Meer, den Bergen und Fjorden. Viel mehr spektakuläre Landschaft kann man an nur einem Ort kaum vereinen!
Unser letzter Tag in Ålesund ist leider wieder von Regenschauern geprägt. Wir besuchen die Stadtbibliothek und wärmen uns etwas auf, bevor die Reise weiter gehen soll. Bei besserem Wetter hätten wir gerne eine der umliegenden Inseln besucht. So wollen wir weiter Richtung Trondheim.