Ist es moralisch vertretbar während der Covid19-Pandemie zu reisen?
In Deutschland zu leben bedeutet das Privileg zu haben im Krankheitsfall auf eine herausragende medizinische Infrastruktur zurückgreifen zu können. Das gibt ein umfassendes Gefühl von Sicherheit. Eine Sicherheit, die während der aktuellen epidemischen Notlage nicht mehr zwangsweise gegeben ist. Mit Covid19 kursiert ein Virus, dass für verschiedene Gruppen der Gesellschaft ein erhebliches Risiko darstellt und aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr, von allen Menschen im jeweiligen Land überaus ernst genommen werden muss. Für das Individum bedeutet dies eine hohe persönliche Verantwortung, von der auch wir uns nicht entziehen können und wollen.
Steigende Infektionszahlen in europäischen Ländern, die mit offenen Grenzen, Reiserückkehrern oder Rücksichtslosigkeiten nach der Ballermann-Art in Verbindung stehen, füllen immerwieder die Nachrichten. Dies lässt einen mit der Frage zurück, ob es moralisch vertretbar ist, während einer Pandemie zu reisen.
Für uns lautet die Antwort auf diese Frage: Ja, ist es – wenn wir uns konsequent an Regeln halten. Wie man sich vor einer Coronainfektion schützen kann ist den meisten Menschen recht klar. Da war zu erst die aus dem Lockdown bekannte Kontaktbeschränkung und der Mindestabstand zu anderen Menschen. Das bedeutet insbesondere Menschenansammlungen wie Märkte, Konzerte, Stadien oder Demonstrationen zu meiden. Eine Ansteckung erfordert eine gewisse Viruslast, weshalb insbesondere medizinische Masken des Typs FFP2 oder FFP3 eine hohe Filterwirkung vorweisen und effektiv auch bei nicht eingehaltendem Abstand vor einer Infektion schützt. Auch das regelmäßige Lüften von Innenräumen wird im Kontext der Viruskonzentration als besonders effektiver Schutz eingestuft. Vor oder nach Events mit erhöhtem Ansteckungsrisiko lässt sich eine eventuelle Corona-Infektion durch einen Schnelltest innerhalb von 15 Min ermitteln. Die zahlreichen Teststationen bieten diese Dienstleistung für die Bürger kostenlos an. Für alle Bürger über 5 Jahren gibt es zusätzlich die Möglichkeit Antikörper über eine Corona-Schutzimpfung aufzubauen. Da die Impfungen nachweislich gut gegen einen schweren Krankheitsverlauf helfen, sollte jeder sich von seinem Arzt des Vertrauens hinsichtlich einer Impfung beraten lassen.
Wie Corona unseren Reise-Alltag bestimmt
Wer heutzutage eine Reise antritt muss sich im Klaren sein, dass er oder sie ein erhöhtes Risiko eingeht, sich mit Covid zu infizieren. Sobald man sich unter das Volk mischt, setzt man sich und anderen einer reellen Gefahr aus. Jeder sollte sich im Vorfeld einer Reise die Frage stellen, ob man bereit ist Einschränkungen in Kauf zu nehmen, die für eine Reise vor der Pandemie nicht galten. Bin ich bereit gegebenenfalls in einer Quarantäne zu verweilen? Bin ich bereit über längere Zeiträume oder während hohen Temperaturen eine medizinische Maske zu tragen? Für uns stellen Kontaktbeschränkungen, Maskentragen und Schnelltests nicht nur eine Einschränkung dar. Ganz im Gegenteil geben diese Maßnahmen uns Freiheiten für Verhalten, das ohne die Vorkehrungen verantwortungslos wäre.
Mit dem Ausbruch der Pandemie galt es für uns, ein verantwortbares Reisekonzept auszuwählen. Vor Corona haben wir gerne und viel die Plattform Couchsurfing für uns genutzt, da man einen tollen Zugang zu Locals hat und immer etwas erlebt. Diese Art des Reisens haben wir vorerst zurückgestellt und haben uns für 2021 stattdessen für eine Fernwanderung entschieden, mit eigener Unterkunft im Zelt. Abseits der typischen Pfade vermeidet man gut überfüllte Orte.
Natürlich sollte man sich an die offiziellen Reisewarnungen des Auswärtigen Amts halten. Auch mit offenen Grenzen gibt es diese Warnungen nicht grundlos. Wer verstanden hat, dass Covid19 sich vorzugsweise über Aerosol verbreitet, kann mit gesundem Menschenverstand und Verantwortungsgefühl vieles möglich machen, ohne sich und andere stark zu gefährden. Moralisch verwerflich ist eine Reise dann, wenn man sich vor Ort nicht an geltende Regeln hält und sich entsprechend der pandemischen Situation falsch verhält. Über das Internet lässt sich für fast jede Region der Erde die aktuelle regionale Inzidenz ermitteln.
Auch während einer Pandemie sind die Menschen überaus gastfreundlich. Wir bleiben soziale Wesen und haben das Bedürfnis sich mit anderen Menschen verbunden zu fühlen tief in uns. Viele freundliche Menschen laden uns ein, ihr Haus zubetreten und gemeinsam zu Essen. Für uns läuten in diesem Moment die Alarmglocken. Das Tragen von Masken im privaten Umfeld ist für die Meisten ungewohnt. Richtigerweise durchmischt man nur zwei Haushalte und bewegt sich innerhalb der gesetzlich geregelten Maßnahmen für Gesundheitsschutz. Dieser Umstand sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Ansteckungsrisiko besteht, da in einer solchen Situation für gewöhnlich keine AHA-Regeln umgesetzt werden. Da wir beide einen vollständigen Impfschutz haben und nicht zu einer Risikogruppe gehören, ist das individuelle Risiko einer schweren Erkrankung gering. Nichtsdestotrotz ist es denkbar innerhalb der nächsten zwei Wochen einen asymtomatischen Krankheitsverlauf aufgrund einer Infektion zu haben und eventuelle Kontakte auf der weiteren Reise zu infizieren. Dieses Szenario gilt es unter allen Umständen zu vermeiden!
Die Möglichkeit sich unkompliziert und kostenlos an den zahlreichen Teststationen auf Covid19 testen zu lassen, gibt uns hier etwas Sicherheit selbst nicht Überträger der Krankheit zu sein. Hier sei angemerkt, dass nicht alle Länder diese Möglichkeit für Ausländer bereithalten. In Frankreich zum Beispiel kostet das Testen an einer Station ohne französischen Pass 25€ pro Nase. Selbstverständlich kann man auch selbst einen Antigen-Test durchführen und spart erheblich Geld.
Unterwegs sein mit Verantwortung statt mit Moralkeule
Wir probieren permanent Risiken zu reduzieren oder gänzlich zu vermeiden. Eine 100-prozentige Sicherheit wird einem keiner gewährleisten können. Wer rücksichtsvoll mit seinen Mitmenschen umgeht, bereit ist Verantwortung zu übernehmen und sein Hirn angeschaltet lässt, der sollte auch ohne schlechtes Gewissen reisen dürfen – dies ist unsere Meinung. Beharren wir darauf, dass Reisen moralisch verwerflich ist, wäre dies ein Todesurteil für die Reisebranche und sorgt bei unzähligen Menschen für existenzielle Krisen. Also Reisen ja – mit Rücksicht und Verantwortung.