Die erste Tour im Jahr 2021 steht an!
Der Winter ist durchstanden und die ersten warmen Märztage wecken die Abenteuerlust in uns. Wir beschließen kurzfristig unsere Rucksäcke in Gensingen zusammen zu packen und mehrere Etappen auf dem Soonwaldsteig zu wandern.
Leider versäumen wir es – getäuscht durch die schönen Sonnentage – erneut in den Wetterbericht zu schauen. Kurz nach Start der ersten Etappe von Bingen Richtung Kirn schlägt das Wetter um. Es fängt an zu regnen und da wir beständig Höhenmeter machen, finden wir uns schon bald in einem kleinen Schneegestöber wieder. Das wir so früh die wetterfesten Schichten anlegen müssen war nicht unbedingt vorgesehen, aber immerhin sind wir gut ausgestattet. Wind und Kälte beißen leicht im nassen Gesicht aber die Motivation ist hoch und die Laune gut. Zum Nachmittag verlassen wir den Weg um einen Bekannten in Waldböckelsheim zu besuchen und dort einen Schlafplatz in Anspruch zu nehmen. Wir essen gemeinsamen. Unser Zelt steht heute Abend in einem Garten hinterm Haus.
Wir laufen zurück auf den gut ausgewiesenen Pfad des Sonnwaldsteigs. Das Wetter kann sich nicht so recht entscheiden – zwischen Sonne und Wolken rieseln in Wellen Schneeflocken vom Himmel. Da die Flocken auf der Wärme isolierenden Kleidung nicht schmelzen, sehen wir bald aus wie zwei laufende Schneemänner. Unsere zweite Etappe endet an der Lauschhütte mitten im Wald. Zählerstand heute: ~11km, 450m➚, 150m➘. Wir haben Glück: Die Sonne kommt langsam wieder raus und der Inhaber der Hütte bietet uns trotz geschlossener Gastronomie zwei Getränke zur Stärkung an. Wir dürfen auf der nahegelegenden Wiese unser Zelt aufstellen. Wir sind die einzigen Gäste.
Die Nacht war eisig kalt. Also zumindest außerhalb unserer Schlafsäcke. Das Wasser, welches die schmutzige Pfanne einweichen sollte, war morgens zu Eis gefroren. Wir haben beide gut geschlafen und werden vom Inhaber der Lauschhütte, als wir nach Wasser fragten, mit frischem Kaffee überrascht. Was für ein Luxus-Service! So startet man doch gerne in den nächsten Tag. Wir packen unsere Sachen zusammen und begeben uns auf die nächste Etappe.
Unser Weg führt uns weiter Richtung Rheinböllen. Es geht immer wieder bergauf und bergab. Wir laufen durch Wälder und einen Windpark. Als wir diskutieren wie es wohl innerhalb eines Windrades aussieht, laufen wir zufällig an einem vorbei, dessen Tür unten offen steht. Es parkt ein Wagen davor. Von der Neugier gepackt näheren wir uns. Wir treffen einen Wartungsarbeiter vor, welcher uns einläd einzutreten. Er drückt einen Schalter und über uns springen vermeintlich hundert Lampen an und erleuchten den sich über uns erstreckenden Schacht. Wir freue uns über den glücklichen Zufall und gehen mit einer Erfahrung mehr unseren Weg.
Gegen Nachmittag erreichen wir Rheinböllen, füllen unsere Vorräte im Supermarkt auf und laufen noch einen weitere Kilometer, um unser Zelt im Grünen aufstellen zu können. Durch Zufall entdecke ich neben unserem Zelt im Baum hängend eine kleine Dose mit Schraubverschluss. Hier werde ich unerwarteterweise zum Mitglied der Geocaching-Community. In der kleinen Dose befindet sich ein Zettel zum Eintragen des Namens für abenteuersuchende Sammler. Die Suchenden probieren mittels ungefähren GPS-Daten, kleinen Tipps und Rätseln geheime Verstecke wie diese zu finden. Normalerweise kein Hobby das einer von uns betreibt, aber hier war es ein unterhaltsamer Fund. Wir hängen den Geocach natürlich zurück, damit der Nächste auch seinen Spaß daran haben kann.
Unser Schlafplatz ist nah zum ehemaligen Munitionsdepot Rheinböllen der Bundeswehr, welches im Jahr 2011 im Rahmen der Strukturreform geschlossen wurde. Wir beschließen für den nächsten Tag diesem Lost Place einen kurzen Besuch abzustatten.
Der nächste Tag beginnt mit einem kurzen Fußweg. Wir brauchen neues Wasser für frischen Kaffee. Auf den Satelietenbildern von Google Maps lässt sich in einigen hundert Metern ein Teich mit natürlichem Zulauf im Wald entdecken. Für solche Wasserquellen führen wir unseren handlichen Wasserfilter mit. Der Kaffee ist gerettet.
Neben dem Eingangstor zum ehemaligen Bundeswehrgelände lässt sich tatsächlich ein Loch im Zaun finden zum durchschlüpfen. Das Gebiet ist heute verlassen und wird als zusätzliches Jagtgebiet genutzt. Wir beschließen gut sichtbar auf den Wegen zu bleiben. Wir wollen ja keinen Unfall verursachen. Auf dem Gebiet befinden sich dutzende geräumige Hanger, in denen früher Munition gelagert wurde. Heute sind sie restlos geräumt und die Tore stehen offen. Es bleiben große Echokammern für Gesangseinlagen. Alle Lager sind baugleich, weshalb es sich nicht lohnt alle anzuschauen. Wir verlassen das Gelände unentdeckt und kehren auf den Steig zurück.
Für die heutige Wanderung stehen einige Höhenmeter auf dem Plan. Doch die Aussicht und das Laufen durchs Grüne ist Entschädigung genug. Wir haben bis zum Abend den Wald nicht verlassen und suchen für das Zelt ein Gebiet, das nicht unter Naturschutz steht. Auf der Wiese vor dem Zelt finden wir frischen Kot. Vermeintlich vom Reh. In der Nähe befindet sich ein kleiner Bach, an dem die Tiere trinken werden. Nachts sind mehrfach Geräusch in der Nähe zuhören. Mit allen Sinnen lauscht man in die Nacht, bis man sich mit etwas Schaudern umdreht und probiert weiterzuschlafen.
Drohnen-Aufnahmen aus dem Soonwald
Während abends noch vereinzelt Schneeflocken fielen, scheint morgens die Sonne. Wir nutzen den Wasserfilter, um mit frischem Wasser aus dem Bach unsere Flaschen zu füllen und Kaffee zu kochen. Während wir frühstücken läd das Solarpanel in der frühen Morgensonne die Powerbank auf. Im Laufe des Tages werden wir unsere Vorräte auffüllen müssen und entscheiden uns folglich den Wald Richtung Norden (Simmern) zu verlassen. Auf dem Weg zum Supermarkt laufen wir durch Mutterschied. An der Straße befinden sich mehrere Höfe mit reichlich Platz für ein Zelt. Nach dem Einkauf werden wir hierher zurückkehren, um nach einem Schlafplatz zu fragen. Während wir Einkaufen entschließt das Wetter erneut umzuschlagen. Draußen wird es zunehmend ungemütlich und wir müssen noch einen knappen Kilometer laufen, um zurück zu den vielversprechenden Höfen zu gelangen. Beim dritten Versuch öffnet eine ältere Frau die Tür. Irene lässt sich leicht überzeugen uns für die Nacht bei sich aufzunehmen. Auf dem Hof laufen zahlreiche hübsche aber scheue Katzen umher. Sie bietet uns mehrfach einen Platz im Haus an, aber wir bevorzugen heute das Zelt. Das Grundstück liegt auf einer leichten Erhebung. In alle Richtungen erstrecken sich Felder. Ein schöner Ort.
Während Aylin sich morgens gerne nochmal umdreht, husche ich aus dem Zelt. Zu meiner Überraschung hängt vor dem Zelt ein Leinenbeutel dessen Inhalt aus zwei üppig belegten Brötchen besteht. Ich finde die Hausherrin auf der Terasse vor, wo sie sich gerade eine Zigarette ansteckt. Ich bedanke mich für das Frühstück und werde noch mit einem frischen Kaffee versorgt. Irene hat eine spannende Lebensgeschichte, über die sie bereits ein Buch geschrieben hat. Wir erleben einen wertvollen Austausch zwischen zwei sehr unterschiedlichen Welten und Generationen. Im Laufe des Tages kommt auch die erwachsene Tochter zu Besuch. Wir haben uns entgültig festgequatscht und beschließen heute hier zu bleiben. Irene hat sichtbar Freude an dem Besuch. Wir möchten etwas zurückgeben und bereiten einige der Gemüsebeete im Garten für das kommende Jahr vor. Hier konnten wir jemanden glücklich machen. Vor der Abreise tauschen wir unsere Gästebücher und schreiben jeweils einen kleinen Eintrag. Beim lesen hatten wir alle etwas Pipi in den Augen. Wir versprechen, wenn wir im Herbst zur Weinlese in Rheinland-Pfalz sind, unsere Erlebnisse des kommenden Sommers bei Kaffee und Kuchen zu berichten. Aber vorerst geht es mit frischer Energie weiter.
Es geht einmal über den Kamm des Hunsrücks 300m hoch und auf der anderen Seite 300m wieder runter. Nach 15km reicht es uns für heute und wir beschließen im ersten Ort – wenn wir wieder auf Zivilisation treffen – nach einem Schlafplatz Ausschau zu halten. In der Mini-Ortschaft Entenpfuhl werden wir schnell fündig und herzlich aufgenommen. Unser Zelt steht auf einer ungenutzten Kuhwiese hinterm Haus des Ehepaars, das uns heute beherbergt. Vom Hund des Hauses ins Rudel aufgenommen, bewacht er unser Zelt, nachdem ausgiebig gespielt wurde.
Als wir am nächsten Tag aufbrechen möchten, wurde nicht nur für den Mann auf der Arbeit eine Lunchbox mit Nudelsalat bereitet, sondern auch für uns steht eine Dose bereit. Welch herzliche Geste! Zur Mittagszeit sind wir überaus dankbar über den zusätzlichen Snack, denn das Auf und Ab der Etappe setzt uns zu.
Vorgesehen sind 17,3 km von Entenpfuhl nach Waldböckelheim. 140m➚ und 360m➘. Mit dem Gewicht der Rucksäcke müssen wir beim bergab gehen vorsichtig sein, um die Gelenke zu schonen. Zum Ende der Etappe liegt der Ort Burgsponsheim. Von dort liegt ’nurnoch‘ der Welschberg (336m) zwischen uns und dem Etappenziel. Wir befinden uns auf ~250m ü.NN. Ich entscheide abzukürzen und über den Berg zu laufen statt drumherum. Für die Entscheidung wurde ich von Aylin für die nächste Stunde mit Schweigen bestraft. Wir erreichen erschöpft den Supermarkt in Waldböckelheim.
Hungrig und mit vollen Taschen bereit Essen zuzubereiten, bewegen wir uns Richtung Ortskern auf der Suche nach einer Bleibe. Das einladende Tor eines Weinguts fällt uns ins Auge – und wir haben Glück. Im Garten findet sich Platz. Der Winzer fragt interessiert nach unserer Reise und empfängt uns mit einer Flasche Hauswein und zwei Gläsern. Wir werfen den Kocher an und genießen in der letzten Sonne für heute angekommen zu sein.
Wir werden am nächsten Vormittag von Freunden, die zurück nach Gensingen fahren eingesammelt. Die Tour hat trotz aller wetterbedingter Umstände große Freude bereitet und uns wurde reichlich Herzlichkeit entgegengebracht. Dies bestärkt uns in unserem Vorhaben mehr auf diese Art und Weise zu Reisen.