Es ist Zeit Kopenhagen den Rücken zu kehren und weiterzuziehen. Eigentlich planten wir die nördlich gelegene Kleinstadt Helsingør mit seinem beeindruckenden Schloss Kronborg zu besuchen. Doch aufgrund unseres Standortes im Süden der Stadt bietet es sich an, die nahe gelegene Autobahn zu nutzen und den Weg über die Öresundbrücke nach Schweden einzuschlagen. Entlang der Hauptstraße an einer Bushaltestelle positionieren wir uns mit unserem Schild. Obwohl nur etwa jedes zehnte passierende Auto ein schwedisches Nummernschild hat, sind wir uns ziemlich sicher, dass auch viele Dänen den Weg nutzen, um nach Schweden zu fahren. Wir sind zuversichtlich schnell eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Doch wie so häuig in der Vergangenheit, ist es schwierig eine Großstadt per Anhalter zu verlassen. Erst probiert Aylin eine knappe Stunde ihr Glück. Wir wechseln und auch ich habe in der kommenden Stunde nicht mehr Erfolg. Wer denkt, er müsste etwas an seiner persönlichen Frustarionstoleranz arbeiten, dem kann ich eine Trampreise ans Herz legen. Wir wechseln erneut die Positionen.
Ich beobachte wie ein Fahrzeug mit schwedischem Nummernschild auf das Gelände der nahe gelegenden Autowaschstraße fährt. Ich gehe kurzentschlossen hinüber und fange den Herrn ab. Er ist anfänglich etwas skeptisch, doch was soll er sagen – er fährt offentsichtlich in die Richtung in die wir wollen. Nachdem er sich vergewissert hat, dass wir gültige Reisepässe haben, stimmt er ein.

Und tatsächlich werden wir an der innereuropäischen Grenze zwischen Dänemark und Schweden das erste Mal nach unsere Pässen gefragt. Die Grenzschützer sind zwar nett und freundlich, aber mit dem Inkrafttreten des Schengener Übereinkommens 1995 sollte diese Praxis eigentlich der Vergangenheit angehören. Wie auch immer. Nach kurzer Unterbrechung geht es weiter. Unsere Fahrt endet nach knappen 90 Kilometern an einer Raststätte zwischen Landskrona und Helsingborg. Der Tag ist fortgeschritten und wir beschließen uns in der Nähe einen Schlafplatz zu suchen. Google Maps verrät uns, dass sich nicht weit entfernt ein größerer Hof befindet, der auf den Satelitenbildern vielversprechend aussieht. Nach 10 Minuten erreichen wir des Grundstück. An der Auffahrt steht ein kleines Schild mit der Aufschrift „Välkommen“. Auf unserer Fernwanderung letztes Jahr im Sommer, waren wir erstaunlich erfolgreich durch das Klingeln bei Fremden an der Haustür einen Schlafplatz zu ergattern. Im Süden Europas haben wir aufgrund der häufigen Sprachbarriere von dieser Option wenig gebraucht gemacht, doch hier in Skandinavien spricht so gut wie jeder Englisch. Und auch an dieser Haustür haben wir Glück. Eine Frau Mitte Fünfzig begrüßt uns, wir schildern unser Anliegen, sie überlegt kurz, lächelt und fängt an uns verschiedene „Zeltplätze“ auf ihrem Grundstück zu zeigen. Kurz darauf kommt ihr Mann Ilmr nach Hause. Sie laden uns ein hereinzukommen und ihre Küche zu nutzen. Das nehmen wir gerne an.

Die beiden freuen sich riesig, über ihren unerwarteten Besuch und bieten uns von Waschmaschine, Dusche bis E-Bike allerlei an. Das schöne an unserem aktuellen Lebensstil ist, dass der Entzug von all diesen fast alltäglichen Dingen, in dem Moment wo man sie plötzlich zur Verfügung hat, einem große Freude bereitet. So können wir am kommenden Tag das elektrische Lastenrad nutzen, um einen Ausflug zu machen. Die Lotta und Ilmr haben uns eine traditionelle Töpferei in der Umgebung empfohlen, zu der wir hinradeln. Viel mehr radel ich und Aylin sitzt vergnügt in der Transportbox des Rades. Wir kombinieren den Ausflug mit einem kleinen Spaziergang und einem Einkauf, denn wir wollen für unsere beiden Gastgeber etwas kochen. Gemeinsam verbringen wir den Abend, quatschen und hören einige Songs von Ilmr, der selbst Musiklehrer und Sänger ist. Er macht Musik verschiedener Genre und hat eine tolle Stimme. Seine Musik findet man auf Spotify Yoyo xno.

Lotta spricht selbst etwas Deutsch und baut witzigerweise immerwieder deutsche Wortfetzen in unsere auf englisch geführten Unterhaltungen ein. Per Telefon werden Bekannte kontaktiert, um die ‚Tysker‘, die unerhoften Gäste aus Deutschland zu präsentieren. Wir freuen uns darüber zwei Menschen mit unserem Besuch so glücklich zu machen.
Ein Freund von Lotta grüßt uns live über seine Radioshow und kündigt an ein Interview mit den beiden Backpackern aus Deutschland für seine nächste Sendung vorzubereiten. Wir sind völlig baff über die Möglichkeit und die Vorstellung selbst in der Weise im Mittelpunkt zu stehen. Zwei Tage später sind wir in Helsingborg mit Martin verabredet. Wir treffen auf einem Parkplatz zwei Golfer, die auf dem Weg in die Stadt sind. Die beiden nehmen uns mit und setzen uns direkt am verabredeten Ort ab. Wir treffen Martin, quatschen kurz und gehen zu Fuß zum Aufnahmeraum. Wir trinken einen Kaffee Doch all die Aufregung ist umsonst, denn es gibt Probleme mit der Technik. Wir werden heute keine Radiostars.

Martin ist die Situation sichtlich unangenehm und probiert es mit einer persönlichen Führung durch seine Heimatstadt wieder gut zu machen. So sehen wir zumindest einiges von der hübschen Kleinstadt.

Unser nächstes Ziel ist die 50 Kilometer entfernte Landzunge Kullaberg. Das Naturreservat auf der Halbinsel soll besonders schön sein und es gibt einen extra ausgeschilderten Ort fürs Camping. Bevor wir uns bei Lotta und Ilmr verabschieden, machen wir noch ein Gruppenfoto und versprechen den beiden eine Postkarte zu schicken.

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